Kulturdimensionen... oder von Rucksäcken

In primordialen Kulturverständnissen wird davon ausgegangen, dass es in den Kulturen bestimmte kulturelle Dimensionen gibt, die mehr oder weniger ausgeprägt in kulturübergreifend vorkommen. Jede Kultur trägt hier einen Rucksack mit bestimmten immanenten Kulturdimensionen.

 

Das Konzept der Kulturdimensionen basiert auf der grundlegenden Idee, dass es universelle Kategorien oder Themen gibt, mit denen sich alle Kulturen dieser Welt auseinandersetzen und für die sie Antworten entwickeln müssen. Von dieser These ausgehend, entwickelten erstmals die US-amerikanischen Soziologen Parsons und Shils (1951) sowie die US-amerikanischen Anthropologen Florence Kluckhohn und Fred Strodtbeck (1961) spezielle Kultur-Kategorien.

 

Die Annahme der grundlegenden Werte, Themen oder Dimensionen, impliziert in logischer Konsequenz, dass alle Kulturen miteinander vergleichbar sein müssen, sobald deren Antworten und Positionen zu den jeweiligen Wertfragen bekannt sind. Damit kann diese Herangehensweise auch als universalistisch bezeichnet werden, da sie kulturübergreifende, allgemeine Gültigkeit für sich beansprucht.

 

Ausgehend von diesen Überlegungen wurden im Laufe der vergangenen Jahrzehnte verschiedenste Kulturdimensionskonzepte entwickelt (Hofstede, 2001; Trompenaars, 1997; Schwartz, 1994; Hall, 1977), wobei der wohl bekannteste Vertreter und Pionier der wissenschaftlichen Untersuchung kultureller Dimensionen und Wertorientierungen der Niederländer Geert Hofstede ist.

 

Hofstede geht beispielsweise davon aus, dass Kulturen sich unterteilen lassen in individualistisch-orientiere und kollektivistisch-orientierte Kulturen, in denen entweder die Person oder aber die Gruppe im Vordergrund steht. Für den Kontext Kursgeschehen würde dies bedeuten, dass, nehmen wir an ein Kultleiter kommt aus einer individualistisch-orientierten Kultur und ein Teilnehmer aus einer kollektivistisch-orientierten Kultur, dass beispielsweise darauf geachtet werden kann, auf welche Art und Weise Diskussionen geführt werden: Treten Einzelpersonen in die Diskussionen ein und benennen sie sich als "ich" oder sprechen Personen eher im Kontext der Gruppe, treten nicht als Einzelpersonen hervor und sprechen sie eher von "wir"?

 

Weitere Kulturdimensionen sind nach Hofstede, die Unsicherheitsvermeidung - also, sind Kulturen eher risikobewusst oder eher unsicherheitsvermeidend? Sind Kulturen eher wettbewerbsorientiert oder eher kooperativ ausgerichtet (Dimension der Femininität/ Maskulinität), sind sie eher hierarchisch oder eher egalitär aufgebaut, auf Langfristigkeit oder Kurzfristigkeit ausgerichtet (Lang- und Kurzzeitorientierung)? Dies sind nur Beispiels für die Dimensionen Hofstedes.

 

Neben Hofstedes Arbeit erfahren vor allem die Kulturdimensionskonzepte von Hall (1977), Trompenaars & Hampden-Turner (1997), oder Schwartz (1994) Aufmerksamkeit.

 

Hall unterschiedet Kulturen im Blick auf ihren Umgang mit Raum (also Nähe-Distanzverhalten) und Zeit: monochron und polychron. Monokultur ausgerichtete Kulturen beschäftigen sich eher mit eine Sache und strikte Zeitplanungen, während polychron ausgerichtete Kulturen ein flexibleres Verständnis von zeitlichen Vereinbarungen haben und meist mehrere Dinge gleichzeitig erledigen.

 

Trompenaars und Hampton-Turner (1997) gehen in ihrem primordal ausgerichtetem Ansatz auf die fünf Themen zurück, die Parsons (1951) als zentral für das zwischenmenschliche Zusammenleben definiert hat und ergänzt diese um die Komponenten menschlicher Umgang mit Zeit und menschliches Verhältnis zur Natur. Daraus ergeben sich letztlich sieben Dimensionen, wie: „Universalismus vs. Partikularismus“: Was ist wichtiger – Regeln oder Beziehungen?, „Neutralität vs. Emotionalität“: Verhalten wir uns möglichst objektiv oder ist es gestattet Emotionen zu zeigen?, „Individualismus vs. Kommunitarismus“: Funktionieren wir als Individuum oder sind Teil einer Gruppe?, „Spezifisch vs. Diffus“: Steht im zwischenmenschlichen Kontakt die Sache oder die Beziehung im Vordergrund?, „Leistung vs. Herkunft“: Werden wir danach beurteilt, was wir geleistet haben, oder nach unserem ererbten Status?

 

Der Sozialpsychologe Schwartz (1994) wiederum versucht herauszufinden, welche menschlichen Werte es überhaupt gibt und welche kulturübergreifend wirksam werden, wobei er 45 Werte ausfindig macht, die er in sieben Werte-Typen einteilt und in Wertedimensionen einteilt: „Offenheit für Veränderungen vs. Bewahrung“ und „Selbsttranszendierung vs. Selbstaufwertung.

 

Diese kulturellen Dimensionen bedeuten, dass sich Kulturen auf Grund bestimmter Tendenzen und Eigenschaften unterscheiden und einteilen lassen. Dies bedeutet wiederum, dass Kultur ein festes, objektiv erklärbares Gebilde ist, dass es verstehen und an das es sich anzugleichen gilt.

 

Die konstruktivistischen Kulturtheorien und Ansätze stehen den priomodialistischen Ansätzen gegenüber und werden im Folgenden erklärt.

 

[zurück]